Sardinien ist unter Kletterern längst als Kletterhimmel bekannt: Vielseitige Routen, kurze Zustiege, ideale Absicherung und unzählige Gebiete versprechen dabei ein unglaubliches Erlebnis. Obwohl wir beide keine ambitionierten Sportkletterer sind, zieht es uns nun schon das dritte Jahr in Folge zum Klettern auf die Insel, denn gerade die Vielzahl an leichten und leicht fortgeschrittenen Routen lässt das Kletterherz höherschlagen. Aus diesem Grund möchte ich unsere Favoriten mit euch teilen. Der Beitrag richtet sich eher an Einsteiger:innen, sowie Gelegenheitskletterer, die in den Schwierigkeitsgraden bis 7 IUAA unterwegs sind.
Tipp: Es gibt einige sehr lange Routen auf der Insel, bei denen es sich lohnt ein 70-80m Seil dabeizuhaben. Unbedingt ans Herz legen, möchte ich euch auch den Kletterführer von Maurizio Oviglia, dem Kletterpionier Sardiniens: Pietra di Luna. Mittlerweile existiert neben dem Sportkletterführer, ein Mehrseillängen-, sowie ein Boulderführer.

Golfo di Orosei
Die belebte Ostküste rund um Cala Gonone hat es uns seit unserem ersten Aufenthalt angetan. Wer hier mit dem Bus oder Zelt anreist, kommt am besten beim nördlichen Campingplatz oder bei einem der Agriturismos Cordula Fuili bzw. Nuraghe Mannu unter. Cala Fuili, La Poltrona, Finstones und Budinetto sind stets unsere ersten Anlaufstellen, um die Hände und Finger wieder aufs Sportklettern am Felsen einzustellen. In allen genannten Gebieten befinden sie viele leichte Route, die perfekt zum Wiedereinsteigen geeignet sind. In Cala Gonone gibt es bei Francello hervorragendes Eis und bei Zio Pedrillo eine leckere Pizza nach einem langen Klettertag.

Beginnen wir mit der Cala Fuili: Wie der Name verrät, klettert man hier direkt bei einer Bucht und kann sich nach schweißtreibenden Klettereinlage direkt ins Wasser stürzen. Unsere Favoriten waren die Besucherkante (Spigolo Fuili) 5B und (fast) alle Touren im Ferry Sektor, sowie die lange Nesquik (5B) neben den Kinderrouten an der Treppe. Besonders in Cala Gonone lohnt es sich „Zustiegsfahrräder“ dabei zu haben, denn die Parkplatzsituation, zumindest bei der Cala Fuili ist selbst Mitte/Ende September noch sehr angespannt.
Budinetto und Finstones lassen sich mit einem für Sardinien fast schon langen Zustieg von einer halben Stunde perfekt kombinieren. Morgens hält man sich bei Budinetto auf und steigt ab mittags hinauf zu den Finstones Platten noch ein paar Höhenmeter auf. Unsere Favoriten in Budinetto: Il Re della Griglia (5A), Maleducato (5C). Unsere Favoriten der Flinstones: BAM BAM (6A) Flinstone (5C)
La Poltrona heißt auf italienisch Sessel (Gemeint ist der mit den Ohren). Wer beim Poltrona-Klettergebiet ankommt, versteht warum: Der Kessel erhebt sich fast senkrecht von Cala Gonone. Kein Wunder also, dass sich auch hier einige Mehrseillängen befinden. Hier lohnt es sich gegen Nachmittag nach einer Radtour oder einem Strandtag vorbeizuschauen, denn dann ist die Sonne wieder verschwunden. Unser Favorit: Hey Jude (5C) Nach einer Klettersession in dem Gebiet sollte man noch unbedingt bei der gleichnamigen Pizzeria La Poltrona vorbeischauen. Hier wartet ebenfalls sehr leckeres, authentisches Essen auf euch!
Wer sich im 6. und 7. Grad wohlfühlt, sollte noch unbedingt einen Abstecher zu Bucchi Arta machen. Hier ist es besser früh dran zu sein, denn ab Mittag hat man hier die Sonne im Rücken und kann die langen Wände mit ausdauernder Wandkletterei nicht mehr so ganz genießen. Besonders Leistenliebhaber*innen kommen hier auf ihre Kosten. Für die langen Routen benötigt man auf jeden Fall mindestens ein 70 m Seil. Also aufpassen! Unsere Favoriten haben leider alle laut Kletterführer keine Namen, daher seht selbst. 😉
Hinweis zur Anfahrt: Der Weg ins Klettergebiet führ über eine schmale und vor allem sehr ausgesetzten Straße. Wir sind einmal mit dem 6m Camper gefahren, würden es aber nicht noch einmal wagen.
Auf dem Weg kommt man an den beiden zwei zuvor genannten Agritourismi (Cordula + Mannu) vorbei. Hier kann man nach vorheriger Reservierung ein tolles mehrgängiges, typisch sardisches Menü für ca. 35 € pro Person inkl. Wein genießen. Die Aussicht bei Cordula Fuili ist wunderschön!
Ulassai
Der Ort in Ogliastra ist in allen Bereichen atemberaubend. Eine kleine Stadt inmitten von steilen Wänden. Mit mehr als 1000 Routen zählt Ulassai zu einem der größten Klettergebiete Sardinien. Man findet hier unzählige lange Routen und unterschiedlichste Arten von Kletterei in perfektem Fels. Die Area existiert dank der starken Klettercommunity um das Nannai Climbing Home. Die Entstehungshistorie lässt sich hier nachlesen: Ulassai – Klettern
Wir kamen mit dem Bus beim Camping Theleme unter. Ein Abstecher beim Nannai Climbing Home, um den Kletterführer der Region zu erwerben, ist jedoch Pflichtprogramm. Die gemütliche Kletter-Base inmitten der Stadt bietet Nächtigungsmöglichkeiten, wenn man ohne Camper / Zelt unterwegs ist.
Unser Favorit in Ulassai war der Canyon Sa Tappara direkt in Fußnähe zum Camping Platz. Hier kann man wirklich Tage verbringen und tolle Projekte klettern .


Domusnovas
Domusnovas liegt wie Ulassai im Inland. Wir haben ergänzend zu Pietra di Luna den Domusnovas-Kletterführer dazugekauft, da hier offenbar einige Mehrseillängen gebohrt wurden, die in Pietra di Luna (noch) nicht aufgelistet sind. Unsere erste Anlaufstelle in Domusnovus ist die Grotta di San Giovanni. Direkt daneben befindet sich das Klettergebiet L’Arrampicantro Area. Sehr empfehlenswert sind die 6er Platten im Sektor Puerto Escondido, sowie die Riss- und Verschneidungskletterei im L’arrampicantro Sektor.
Die Routen im Klettergebiet Ombre Rosse unweit der Höhle sind sehr abwechslungsreich und auch absolut einen Besuch wert, wenn man bereits in der Gegend unterwegs ist.
Wer unserer MTB-Tour in Domusnovus nachfährt, kommt an dem Klettergebiet Punta Pilocca, das für schöne Plattenkletterei bekannt ist, vorbei.
Masua / Buggeru
Der wilde Westen Sardiniens bietet ebenfalls zahlreiche Kletteroptionen. Einer unserer Favoriten war Castello Dell’Iride, direkt in Masua. Hier kann man außerhalb der Saison auch relativ entspannt mit dem Bus stehen – perfekt kombinierbar mit einem Strandtag. Die Kletterei ist ein feiner Mix aus langen senkrechten, fingerloch-lastigen Platten mit atemberaubender Aussicht auf das Pan di Zucchero. Hier findet man ebenfalls einige Mehrseillängen im unteren 7. Grad.
Wer gerne auf tolle Plattenkletterei aus ist, sollte auch unbedingt noch der Ficus Area und Banana Republic einen Besuch abstatten.



Bouldern
Zugegebenermaßen ist das Bouldern auf der Insel nur ein sehr, sehr kleiner Teil unseres Kletterurlaubes gewesen. Nichtsdestotrotz möchten wir ihn nicht missen wollen. Der Stop beim Agriturismo La Cerra ist jedes Mal ein Pflichttermin unseres Sardinien Aufenthalts.
Mit dem Bus kann man bei La Cerra für kleines Geld legal campieren, sardische Gastfreundschaft genießen und ins Bouldervergnügen eintauchen. Wer hat, sollte eigene Crashpads mitbringen, da die Leihpads relativ klein sind. Wir haben selbst zwei Crashpads dabeigehabt. Man kann bei Alberto, dem Landeigentümer zusätzlich für 5-10,00€ (pro Crashpad) am Tag ausleihen.
Den Boulderguide für das Gebiet rund um den Monte Pulciana kann man ebenfalls direkt vor Ort erwerben. Wir haben uns bisher am meisten in dem Stuntblocs- und im Somewhere-Sektor aufgehalten. Die beiden Gebiete sind auch sehr anfängerfreundlich.
Messerscharfes Granit-Bouldervergnügen ist hier Programm – Bevor die Kraft ausgeht, waren bei uns auf jeden Fall die Finger durch. Tape dabei zu haben ist daher ein Muss, wenn man ein wenig projektieren möchte.
Ein Abendessen beim Agriturismo sollte man sich ebenfalls nicht entgehen lassen, denn auch die Veggie-Küche bei LaCerra kann sich sehen lassen. Stets leckeres, frisches Gemüse und kreative Kombinationen sind Teil eines 4-5-Gänge Menüs, das mit Hauswein für 35 pro Person serviert wird.
Tipp: Unbedingt eine Sonnenuntergangstour auf den Monte Pulciana 590 m (III) machen! Hier hat man einen wunderschönen Ausblick auf Gallura Hochebene. Die Wegfindung auf den Monolithen ist nicht ganz einfach, da kaum markiert. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich.



